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Rede von Michael Kölsch zum 8. Mai auf dem Lindenauer Markt/Leipzig

Textsammlungen

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

wir erinnern uns heute, am 8. Mai 2010, an die Befreiung unseres Landes von Krieg und Faschismus vor nunmehr 65 Jahren. Und stellen einmal mehr fest: der kritische Blick in die Vergangenheit, das Bestreben, Geschichte zu verstehen und die gewonnenen Erkenntnisse zu vermitteln, ist das Fundament für Frieden, Freiheit und letztlich für das Wohlergehen und Glück eines jeden von uns.

Würden sie es tun, die Herren in der Odermannstraße, würden sie den Blick kritisch und nicht verklärend in die Vergangenheit richten, würden sie ernsthaft verstehen wollen, was vor 1945 mit und in unserer Gesellschaft geschah, und schließlich, würde es uns gelingen, den Herren in der Odermannstraße unsere Erkenntnisse zu vermitteln, nie und nimmer würden sie fortfahren, ihre unselige, menschenverachtende, rassistische, intolerante und ausländerfeindliche Ideologie weiter zu verbreiten. Das unermessliche Leid, welches der Faschismus in nur zwölf Jahren über die Völker dieser Welt gebracht hat, sehen sie es nicht? Wie krank, wie verletzt muss ein Mensch sein, diesen Schrecken von damals nicht nur gut zu heißen, sondern ihn auch wieder verbreiten zu wollen?

Verblendete Ideologen, liebe Bürgerinnen und Bürger, wird es immer geben in einer Gesellschaft. Es gab sie
bis 1945, es gab sie bis 1989 und es gibt sie heute, auch hier in unmittelbarer Nachbarschaft. Es ist ein Verdienst unserer Demokratie, dass sie in Deutschland auch reden dürfen. In dem Maße aber, in dem s i e reden, sind w i r gefordert, dagegen zu reden. Das ist nun einmal das Wesen einer Demokratie. Sie bleibt immer eine zarte Pflanze, die behütet und gepflegt werden muss. Sie existiert nicht per se, sondern muss durch bürgerliches Engagement wie hier auf dem Lindenauer Markt stets aufs Neue mit Leben erfüllt werden.

Nun macht die Geschichte mit der Teilung Deutschlands, der daraus folgenden 40 jährigen Diktatur und schließlich deren Überwindung durch die Friedliche Revolution 1989, die nicht unmaßgeblich von dieser Stadt ausging, Leipzig zu einer besonderen Plattform für das Eintreten gegen den Ungeist der Rechten. Haben doch Sie, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, mit ihrem Mut und ihrer Zivilcourage bewiesen, dass auf friedliche Weise selbst größtes Unrecht überwunden werden kann.

Dieser Leipziger Bürgersinn darf nicht einschlafen, nicht hier in dieser Stadt. Er ist in allen Menschen angelegt. Ihm gebührt Raum, sich zu entfalten. Möge das, was die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt vor 20 Jahren geleistet haben, Vorbild und Ansporn sein für alle Menschen, immer und überall gegen Unrecht und gefährliche Ideologen mit friedlichen Mitteln einzutreten. Dafür, dass niemals in Vergessenheit gerät, dass wir hierzu nicht nur die politische Möglichkeit, sondern auch die moralische Verpflichtung haben, tritt die Stiftung Friedliche Revolution ein. Ich lade Sie ein, mit uns ins Gespräch zu kommen. Besuchen Sie uns im Internet unter www.stiftung-fr.de.

Danke!

 

gez. Michael Kölsch

Stellvertretender Vorsitzender der Stiftung Friedliche Revolution